Anfang Dezember hat das Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass tarifvertragliche Regelungen, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten voraussetzen, dann ge-gen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter verstoßen, wenn die Ungleichbehand-lung nicht sachlich gerechtfertigt ist (Aktenzeichen 8 AZR 370/20). Die Entscheidungsgründe des BAG sind derzeit noch nicht veröffentlicht. Gleichwohl sollte überprüft werden, ob ein An-trag zur Geltendmachung von Ansprüchen in Betracht kommt (Anlage: Musterantrag)
Wenn sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung fehlen, liegt diesbezüglich außerdem regelmäßig eine mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind.
Mögliche Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst
Es besteht vorbehaltlich der Entscheidungsgründe die Möglichkeit, dass vor dem Hintergrund dieses Urteils auch tarifvertragliche Regelungen im öffentlichen Dienst neu zu bewerten sind.
Überstunden
So sehen TVöD, TV-L, TV-H und TV-V Zuschläge für Überstunden vor. Wobei Überstunden auf An-ordnung des Arbeitgebers geleistete Arbeitsstunden sind, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollbeschäftigten hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.
Die für Teilzeitbeschäftigte angeordneten und nicht ausgeglichenen zusätzlichen Arbeitsstunden bis zum Erreichen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten werden also nicht mit Zuschlägen ausgeglichen. Dies könnte eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und gegebenenfalls eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts darstellen.
Zuschlagspflichtige Arbeitsstunden
Zu beachten ist, dass zuschlagspflichtige Arbeitsstunden von vornherein nur vorliegen können, wenn es sich um vom Arbeitgeber angeordnete zusätzliche Arbeitsstunden handelt, die nicht innerhalb der im Tarifvertrag vorgesehenen Frist durch Freizeit ausgeglichen wurden.
Die etwa im Rahmen von Gleitzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden stellen in der Regel mangels Anordnung keine zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden dar. Auch Arbeitsstunden innerhalb eines festgelegten Arbeitszeitkorridors oder einer täglichen Rahmenzeit, die durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt sind, stellen keine zuschlagspflichtigen zusätzlichen Ar-beitsstunden dar. Darüber hinaus können keine Zeiten geltend gemacht werden, die nicht innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist liegen, die also etwa im Geltungsbereich von TVöD und TV-L schon mehr als sechs Monate zurückliegen.
Mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts
Eine nicht sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten kann außerdem laut BAG eine mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts darstellen, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind. Dann kann ein Entschädigungsanspruch nach AGG bestehen. In dem genannten Urteil hat das BAG der betroffenen Teilzeitbeschäftigten 250 Euro zugesprochen.
Geltendmachung AGG-Diskriminierung
Der Anspruch auf Entschädigung muss, anders als tarifvertragliche Ansprüche, innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis der Diskriminierung schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Wenn der Arbeitgeber den Antrag ablehnt, kann der Anspruch innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Antragstellung auf dem Klageweg geltend gemacht werden.
Musterantrag als Anlage
Einen Musterantrag für Tarifbeschäftigte in Teilzeit zur individuellen Geltendmachung eventueller Ansprüche auf Überstundenzuschläge innerhalb der tarifvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist und Ent-schädigung gemäß AGG fügen wir als Anlage bei. Der Antrag und die vorgesehenen Möglichkeiten zum Ankreuzen müssen in jedem Fall individuell geprüft und mit einer Auflistung der geltend gemachten zusätzlichen Arbeitsstunden, die angeordnet und nicht durch Freizeit ausgeglichen wurden, als Anlage versehen werden. Für Beamtinnen und Beamte wird der dbb eine gesonderte Information veröffentlichen.
BBB-Info vom 20. Dezember 2024
Bild: Pexels/Anete Lusina
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen