Der lange erarbeitete Gesetzentwurf zur Neuausrichtung orts- und familienbezogener Besoldungsbestandteile kommt in den Landtag. Damit wird nun die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 (2 BvL 4/18 u. 2 BvL 6/17 u. a.) für Bayern umgesetzt. In der letzten Phase der Entwurfserarbeitung konnten noch entscheidende Änderungen durch den BBB erzielt werden. Bundesweit einmalig sollen bei den Stufen zu pflegende Angehörige berücksichtigt werden.
Fokus liegt auf Familie und Wohnort
Das nun im Entwurf niedergelegte System setzt – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – den Fokus ganz deutlich auf die Kinder und differenziert nach dem Wohnort. Die bisherige Ballungsraumzulage sowie der Familienzuschlag gehen gänzlich im neuen System auf. Künftig wird es Ortsklassen geben, die sich an den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes orientieren. Mit dem Gesetzentwurf wird ein grundlegender Systemwechsel vollzogen. Ansatzpunkt soll künftig die Mehrverdiener-Familie sein. Es wird davon ausgegangen, dass in der Regel beide Elternteile berufstätig sind.
Der Entwurf sieht eine Stufe L für Ledige vor, eine weitere Stufe V für Verheiratete/Lebenspartnerschaften und Stufen 1, 2, usw. entsprechend der Anzahl der Kinder. Die Abstufung orientiert sich dann nach den 7 Ortsklassen (Mietenstufen), die der mit steigender Familiengröße überproportional ansteigenden Belastung durch Wohn- und Lebenshaltungskosten Rechnung trägt. Die Stufen bauen dabei nicht mehr aufeinander auf. Die Zuordnung erfolgt nur zu einer Stufe. Die Ortsklassen richten sich nach den im Wohngeldgesetz festgelegten Mietenstufen und dem jeweiligen Hauptwohnsitz.
Danach ergeben sich entsprechend dem Gesetzentwurf ab dem 1. Januar 2023 folgende Beträge:
Gültig ab 1. Januar 2023
Ortsklasse | Stufe L | Stufe V | Stufe 1 | Stufe 2 | zzgl. für das 3. Kind |
zzgl.
je weiterem Kind |
I | 70,00 | 277,58 | 405,52 | 396,51 | 474,69 | |
II | ||||||
III | 434,05 | 408,41 | 512,64 | |||
IV | 296,57 | 462,58 | 420,66 | 550,96 | ||
V | 90,00 | 315,56 | 491,11 | 433,28 | 589,64 | |
VI | 110,00 | 334,55 | 554,41 | 446,28 | 628,69 | |
VII | 136,21 | 136,21 | 436,84 | 627,87 | 459,66 | 668,14 |
Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 3 bis A 10
Um die überproportionale Belastung von Familien mit unteren und mittleren Einkommen durch Wohn- und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen, gibt es zukünftig einen Erhöhungsbetrag für jedes zu berücksichtigende Kind für die Besoldungsgruppen A 3 bis A 10.
Erhöhungsbeträge für die Besoldungsgruppen A 3 bis A 10 (gültig ab 1. Januar 2023)
Der Orts- und Familienzuschlag ab der Stufe 1 erhöht sich für jedes zu berücksichtigende Kind wie folgt:
Ortsklasse | Besoldungsgruppe | |||||||
A 3 | A 4 | A 5 | A 6 | A 7 | A 8 | A 9 | A 10 | |
I | 30,94 | 25,09 | 24,16 | 22,30 | 19,35 | 17,36 | 13,60 | 7,30 |
II | 32,26 | 28,19 | 27,14 | 25,05 | 21,74 | 19,50 | 15,28 | 8,20 |
III | 33,57 | 31,32 | 30,15 | 27,83 | 24,16 | 21,67 | 16,98 | 9,11 |
IV | 37,30 | 34,80 | 33,50 | 30,92 | 26,84 | 24,07 | 18,86 | 10,12 |
V | 40,99 | 38,24 | 36,81 | 33,98 | 29,49 | 26,45 | 20,73 | 11,12 |
VI | 44,55 | 41,56 | 40,01 | 36,93 | 32,05 | 28,75 | 22,53 | 12,09 |
VII | 48,95 | 45,67 | 43,97 | 40,58 | 35,21 | 31,59 | 24,75 | 13,28 |
Soweit dadurch im Einzelfall die Besoldung hinter derjenigen aus einer niedrigeren Besoldungsgruppe zurückbleibt, wird der Unterschiedsbetrag zusätzlich gewährt.
Stufe L – Grenzbeträge und Abstufungen fallen weg
Die Stufe L orientiert sich betragsmäßig an der (bisher als ergänzende Fürsorgeleistung gewährten) Ballungsraumzulage (Art. 94 BayBesG). Künftig wird aber auf den Einkommensgrenzbetrag verzichtet. Bisher wird die Ballungsraumzulage lediglich gezahlt, soweit die Grundbezüge des Beamten bzw. der Beamtin hinter dem Grenzbetrag von 3 844,66 € monatlich zurückbleiben. Künftig erfolgt die Zahlung ohne diese Beschränkung. Dies gilt auch für Anwärter, für die zudem die Absenkung der Ballungsraumzulage entfällt. Auch sie sollen künftig den vollen Betrag (statt dem abgesenkten von 66,24 Euro – Stand 2022 – erhalten), ohne dass ein Grenzbetrag (2022: 1 433,26 € monatlich) zu beachten wäre.
Stufe V – BBB erreicht deutliche Anhebung der Beträge
Mit der stärkeren Fokussierung auf Familie und Kinder wird der bisherige Familienzuschlag der Stufe 1 unter der Bezeichnung „Stufe V“ allerdings mit abgestuften Beträgen in den jeweiligen Ortsklassen fortgeführt. Statt aktuell 138,64 Euro bzw. 145,56 Euro sollen künftig nur noch die in der Tabelle aufgeführten Beträge geleistet werden. Immerhin konnte gegenüber den Erstentwurf durch Intervention des BBB hier noch eine Anhebung dieser Beträge erreicht werden. Zunächst war in den Stufen I – IV lediglich ein Betrag von 20,85 Euro vorgesehen und entsprechendes in den Stufen V und VI.
Auf die Konkurrenzregelung bei Doppelbeamten-Ehen verzichtet der Gesetzentwurf. Haben beide Ehegatten Anspruch auf einen Zuschlag der Stufe V, wird dieser künftig in voller Höhe ausgezahlt und nicht wie der aktuelle Familienzuschlag der Stufe 1 jeweils nur zur Hälfte. Beide Ehegatten erhalten jeweils den vollen Betrag.
Der Kreis der Berechtigten wird allerdings enger gefasst. Künftig sollen nur noch verheiratete Beamte und Beamtinnen (bzw. solche in Lebenspartnerschaften) berücksichtigt werden. Verwitwete Beamte und Beamtinnen und geschiedene Beamte und Beamtinnen mit Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem früheren Ehegatten oder Lebenspartner sollen nicht mehr zum Bezieherkreis gehören.
Ab Stufe 1 – Familienstand egal
Für den Orts und Familienzuschlag ab der Stufe 1 ist der Familienstand der Eltern nicht mehr relevant. Es wird jedem Berechtigten der volle Betrag gezahlt. Ein Abzug des sogenannten „Ehegattenanteils“, wie nach bisherigem Recht, soll nach dem Entwurf künftig bei unverheirateten, getrenntlebenden oder geschiedenen Beamten oder Beamtinnen mit Kindern entfallen.
Ab dem vierten Kind werden die Beträge nochmals deutlich angehoben. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass mit zunehmender Kinderzahl der Hinzuverdienst des anderen Ehegatten verstärkt in den Hintergrund treten muss, da seine bzw. ihre Arbeitskraft durch die Kinderbetreuung gebunden ist.
Berücksichtigung von Pflegepersonen – BBB erreicht bundesweit einmaligen Ansatz
Ein wegweisender Schritt, der in den letzten Gesprächsrunden vom BBB vorgeschlagen wurde und in den Entwurf Eingang gefunden hat, ist die Berücksichtigung von zu pflegenden Angehörigen, die mindestens der Pflegestufe 2 angehören und nicht nur vorübergehend in der Wohnung aufgenommen sind. Sie sollen künftig hinsichtlich des Orts- und Familienzuschlags wie Kinder zu werten sein und zu einer Erhöhung der Stufe führen. Die Pflege von Familienangehörigen spielt nicht zuletzt angesichts steigender Lebenserwartungen mittlerweile eine deutlich stärkere Rolle. Die Aufnahme eines pflegebedürftigen Angehörigen in den Haushalt erhöht den Bedarf des Beamten bzw. der Beamtin. Mit dieser Lösung trägt man den Gegebenheiten der Zeit Rechnung. Bundesweit setzt diese Regelung Maßstäbe.
Besitzstandswahrung
Für alle bisher Berechtigten wurde eine Besitzstandsregelung getroffen, die sicherstellt, dass vorhanden Leistungen zunächst in Ihrem Betrag erhalten bleiben.
Diese werden allerdings nur so lange gewährt, wie die Voraussetzungen zum Bezug dieser Stufe des Familienzuschlags und/oder der Ballungsraumzulage in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes geltenden Fassung vorliegen. Ist die Zahlung zur Besitzstandswahrung einmal entfallen, etwa weil bei einem verheirateten Beamten bzw. einer verheirateten Beamtin ein berücksichtigungsfähiges Kind hinzugekommen ist, so lebt der Besitzstand nach Wegfall der Kindergeldberechtigung nicht wieder erneut auf. Dabei nehmen Zahlungen aufgrund der Regelungen zum Besitzstand auch nicht an künftigen Anpassungen der Besoldung oder Versorgung teil.
Nachzahlungen
Für die Haushaltsjahre zwischen Verkündung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 (2 BvL 4/18 u. 2 BvL 6/17 u. a.) und dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, trifft der Entwurf eine Nachzahlungsregelung. Es findet eine Vergleichsberechnung statt, zwischen den in diesem Zeitraum tatsächlich gewährten Familienzuschlägen zzgl. der in diesem Zeitraum tatsächlich gewährten Ballungsraumzulage mit einem für diesen Zeitraum fiktiv nach neuem Recht berechneten Orts- und Familienzuschlag. Die Beträge für vergangene Jahre sind dabei ebenfalls im Gesetzentwurf enthalten. Die Neuregelung hinsichtlich der Aufnahme von pflegebedürftigen Angehörigen bleibt dabei allerdings außer Betracht, da diese mit einem unverhältnismäßigen Nachermittlungsaufwand verbunden wäre. Für die Nachzahlungen rechnet allein das Bayerische Staatsministerium der Finanzen mit einem Betrag von 312 Millionen Euro.
Hintergrund zur Entscheidung des BVerfG
Im Jahr 2020 hatte das oberste deutsche Gericht entschieden, dass die Besoldung so bemessen sein müsse, dass für jedes Kind mindestens ein um 15 % über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag zur Verfügung stehe. In der Ministerratssitzung Ende November wurde der Entwurf nun endgültig verabschiedet und wird nun den Landtagsabgeordneten zur Beratung übergeben. In der letzten Phase der Entwurfserarbeitung konnten in Gesprächen mit Staatsminister Albert Füracker und seinem Haus noch zukunftsweisende Änderungen erzielt werden.
Die wichtigsten Aspekte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lagen in den Punkten der realitätsgerechten Betrachtungsweise bei der Ermittlung des Bedarfs, sowie der Feststellung, dass dieser bestimmte und zu erreichende Bedarf für jedes Kind zur Verfügung stehen müsse. Auf jedes Kind muss ein Teil des Einkommens entfallen, der 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt. Dieses Niveau ist anhand der tatsächlichen Umstände des Wohnorts der Familie zu bestimmen. Diese Verhältnisse unterscheiden sich je nach Region zum Teil deutlich.
BBB-Info vom 30. November 2022