Auch wenn der Corona-Virus in diesen Zeiten in den Dienststellen einiges durcheinanderbringt, gewohnte Abläufe verändert oder gar unmöglich macht: Die Rechte der Personalvertretungen nach dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz (BayPVG) sind auch in der gegenwärtigen Situation nicht eingeschränkt! Wohl aber ist es mehr denn je eine Zeit, in der es der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung und dem beiderseitigen Willen bedarf, zum Wohle der Beschäftigten zusammenzuwirken, kooperativ und konstruktiv zu sein und gegebenenfalls schnell zu handeln.
Ihre gemeinsame Aufgabe ist es gerade in Zeiten andauernder Ungewissheit und unbekannter Krisen, ihren Beschäftigten ein möglichst sicheres und angenehmes Umfeld zu schaffen, ohne die Leistungsfähigkeit der Dienstelle zu stark zu beinträchtigen. Deswegen bedarf es besonders bei den Regelungen des BayPVG einer weitest möglichen Auslegung, um auch unter den aktuell erschwerten Bedingungen so viel Mitbestimmung wie möglich so zügig wie notwendig zu gewährleisten.
Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Personalvertretung und Dienstellenleitung sollte deshalb vor allem folgende Faustregel gelten: Die Einhaltung des BayPVG sollte nicht aufgegeben werden, allerdings sollte auch die Nichteinhaltung der Regelungen hingenommen werden, wenn dies zum Schutze der geregelten Güter geschieht.
In diesem Zusammenhang stellen sich für die Personalvertretungen viele Fragen. Die wichtigsten werden im Folgenden geklärt:
Inwieweit werden die Mitbestimmungsrechte des Personalrats begrenzt?
Grundsätzlich gar nicht. Beteiligungspflichtige Maßnahmen gemäß Art. 75 ff. BayPVG bedürfen auch in Notstandssituationen ausnahmslos der Zustimmung des Personalrats. Allerdings hat die Dienststellenleitung in besonderen Fällen, in denen die Amtserfüllung der Dienstelle ansonsten gefährdet ist, die Möglichkeit, vorübergehende Regelungen zu treffen. Diese sollen jedoch nur interimsmäßig gelten, und nur erlassen werden, falls kein minderes Mittel, wie beispielsweise eine Verkürzung der Äußerungsfrist, den gleichen Zweck erfüllen könnte.
Beschränken Verordnungen der Regierung die Mitbestimmungsrechte des Personalrats?
Ja, aber sie entfallen nicht vollständig. Die Mitbestimmungsrechte entfallen gemäß Art. 75 Abs. 4 BayPVG bei allen Anordnungen, die beispielsweise infolge der Corona-Krise aus Verordnungen der Regierung mit Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz ergehen. Allerdings lassen diese Verordnungen oftmals einen Gestaltungs- und Beteiligungsspielraum. So hat der Personalrat kein Mitbestimmungsrecht bei der Verordnung, dass 1,5 m Sicherheitsabstand zwischen den Beschäftigten herrschen muss, jedoch bei der genaueren Erstellung von Hygiene- und Verhaltensvorschriften über diese Verordnung hinaus.
Wie sieht es mit der Gefährdungsbeurteilung im Zuge der Umsetzung des Maskenschutzkonzeptes aus? Ist die Personalvertretung hieran zu beteiligen?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein Maßnahmenkonzept für zeitlich befristete zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz vor SARS-CoV-2 (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandart) herausgegeben. Zur weiteren Konkretisierung für die bayerischen Behörden und Gerichte haben das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales Hinweise zum Tragen von Masken erstellt.
Das bayerische Finanzministerium hat hierzu erklärt, dass die Umsetzung des Maskenschutzkonzeptes durch die jeweilige Dienststelle nicht der Mitbestimmung des Personalrats gem. Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPVG unterliegt bzw. keinen Mitwirkungstatbestand gem. Art. 76 Abs. 2 Nr. 3 BayPVG darstellt, sondern im Wege der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. Art. 2 Abs. 1 BayPVG zu beteiligen ist. Der BBB sieht diesbezüglich noch Klärungsbedarf und hat sich daher an das bayerische Finanzministerium gewandt.
Wie gestaltet sich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Fragen der Arbeitszeit oder der Home-Office-Beschäftigung?
Wochenarbeitszeiten werden durch gesetzliche Regelungen oder Tarifvereinbarungen festgelegt. Hierbei herrscht kein Mitbestimmungsrecht. Bei der Festlegung des Arbeitsbeginns und -endes, der Pauseneinteilung sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage muss der Personalrat jedoch von der Dienststellenleitung beteiligt werden.
Auch bei der Frage, ob der Dienstellenleiter Home-Office für seine Beschäftigten anordnen kann, gibt es kein Mitbestimmungsrecht, alleine deshalb, weil auch die Dienstellenleitung dies nicht anordnen kann. Dagegen hat der Personalrat ein Beteiligungsrecht in Sachen der genaueren Ausgestaltung der Heimarbeit und muss diese gemeinsam mit der Dienststellenleitung erarbeiten.
Wie sieht es grundsätzlich mit den Beschlussfassungen der Personalvertretungen während der Coronavirus-Pandemie aus?
Um eine schnelle Handlungsfähigkeit und Beschlussfassung zu gewährleisten, sollen Beschlüsse im schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahren gefasst werden. Diese Möglichkeit sieht Art. 37 Abs. 3 BayPVG üblicherweise nur für einfache Angelegenheiten vor. Unter den aktuellen Gegebenheiten soll der Personalratsvorsitzende in diese Entscheidung auch vor allem den Gesundheitsschutz der Personalratsmitglieder mit einbeziehen. Auf diese Weise sollte die überwiegende Anzahl der Fälle als einfache Angelegenheiten eingestuft werden und so im Umlaufverfahren behandelt werden.
Einer anderen Lösung bedarf es dann, wenn ein Mitglied des Personalrats dem Umlaufverfahren widerspricht oder nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände eine vorherige Beratung und Meinungsbildung der Personalratsmitglieder für erforderlich erachtet wird.
Für diesen Fall einer unumgänglichen Sitzung der Personalvertretung hat das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat noch ergänzende Regelungen verfügt. Um eine persönliche Anwesenheit der Personalratsmitglieder zu vermeiden, wird die Abhaltung einer Videokonferenz derzeit für zulässig erachtet. Auch die Zuschaltung einzelner Mitglieder über eine Videokonferenz wäre möglich. Es darf jedoch kein Mitglied der Beratung und Abstimmung per Videokonferenz widersprechen.
Sollte die technische Ausstattung einer Videokonferenz nicht möglich sein und auch ein schriftliches oder elektronisches Umlaufverfahren trotz großzügiger Auslegung nicht in Frage kommen, kann derzeit auch mit Hilfe einer Telefonkonferenz abgestimmt werden. Auch hier gilt wieder, dass entweder alle Mitglieder an der Telefonkonferenz teilnehmen oder einzelne Mitglieder zugeschaltet werden. Von dieser Möglichkeit kann auch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn kein Mitglied widerspricht.
Bei einer Personalratsabstimmung per Video- oder Telefonkonferenz ist unbedingt das Gebot der Nichtöffentlichkeit nach Art. 35 S. 1 HS. 1 BayPVG zu beachten. Hierzu soll jedes an der Sitzung per Video- oder Telefonkonferenz teilnehmende Personalratsmitglied zu Protokoll versichern, dass keine nichtteilnahmeberechtigten Personen anwesend sind. Sollte während der Sitzung eine nichtteilnahmeberechtigte Person den Raum betreten, sind die übrigen Personalratsmitglieder hierüber umgehend zu unterrichten.
Nach Art. 32 Abs. 4 BayPVG kann in Angelegenheiten, in denen der Personalrat zu beteiligen ist, durch einstimmigen Beschluss aller Personalratsmitglieder dem Vorsitzenden die Entscheidung im Einvernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern übertragen werden. Die Angelegenheiten sind in dem Delegationsbeschluss zu bestimmen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage soll auch der Delegationsbeschluss grundsätzlich als einfache Angelegenheit nach Art. 37 Abs. 3 BayPVG eingestuft werden. Somit kann auch dieser Beschluss im Umlaufverfahren erfolgen.
Halbjährliche Personalversammlungen (Art. 49 Abs. 1 BayPVG) – verschieben oder sogar entfallen lassen?
Der Personalrat hat gem. Art. 49 Abs. 1 BayPVG einmal im Kalenderhalbjahr eine Personalversammlung einzuberufen und im Rahmen dessen einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Dies stellt für den Personalrat eine Verpflichtung dar, das Nichtabhalten einen Pflichtverstoß. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Pflicht ist jedoch folgenlos, wenn es sich nicht um eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des Art. 28 Abs. 1 BayPVG handelt. Dies berücksichtigt kann nach Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vor dem Hintergrund des ungewissen Infektionsgeschehens der aktuellen Corona-Pandemie folgendermaßen verfahren werden:
Anhand der Vorgaben der jeweils geltenden Fassung der Bayerischen Infektionsmaßnahmenverordnung sollte der Personalrat zunächst prüfen, ob das Abhalten einer Personalversammlung unter Berücksichtigung der Zahl der teilnahmeberechtigten Beschäftigten in seiner Dienststelle zulässig ist und bei Anwendung des jeweils angewandten Infektionsschutzkonzepts eine Durchführung für die Beschäftigten zumutbar und vertretbar ist.
Sofern sich bei fortlaufender Bewertung der Situation herausstellt, dass im jeweiligen Kalenderhalbjahr eine Personalversammlung unter persönlicher Anwesenheit der Beschäftigten nicht abgehalten werden kann, ist aus Sicht des Finanzministeriums alternativ das Abhalten einer Personalversammlung mittels audiovisueller Einrichtungen denkbar. Hierfür sind jedoch strenge Voraussetzungen zu beachten (keine „Zugangsbeschränkungen“ im Hinblick auf die Anzahl der Teilnehmer; es muss allen teilnehmenden Beschäftigten technisch möglich sein, sich zu Wort zu melden und Fragen sowie Anmerkungen zu äußern; Beachtung des Gebots der Nichtöffentlichkeit gem. Art. 48 Abs. 1 Satz 3 BayPVG; keine Aufzeichnung der Personalversammlung).
Ergibt sich nach Prüfung dieser beiden Möglichkeiten, dass im jeweiligen Kalenderhalbjahr eine Personalversammlung weder unter Anwesenheit der Beschäftigten noch in digitaler Form abgehalten werden kann, stellt die Nichtdurchführung aus Sicht des Finanzministeriums keinen groben Pflichtverstoß gem. Art. 28 Abs. 1 BayPVG dar. Die Nicht-Durchführung einer Personalversammlung bliebe bei Anwendung dieser Vorgehensweise folgenlos. Bei Nichtdurchführbarkeit der Personalversammlung obliegt es sodann dem Personalrat zu entscheiden, ob den Beschäftigten der Tätigkeitsbericht, der im Rahmen der Personalversammlung zu erstatten ist, z.B. im Intranet zur Verfügung gestellt wird.
(Stand: 6. Oktober 2020)
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